Haus der Klänge
Ein Meditationszentrum mit Klangkörpern in einer kleinen, jahrhundertealten Brauerei in Mittelböhmen. Dieser Entwurf, der von einem Trompetenmundstück abgeleitet ist, trägt den Titel „Haus der Klänge“.
Ausgehend von einem Alltagsgegenstand, dem Trompetenmundstück sollte eine neue Nutzung überlegt und ein entsprechender Eingriff in ein historisches Bestandsgebäude entworfen werden. Bei dem historischen Bestandsgebäude handelt es sich um eine Brauerei im mittelböhmischen Dorf Lobec, etwa eineinhalb Stunden nordöstlich der Stadt Prag. Erstmals erwähnt 1586 stammen die Gebäude in ihren ältesten Teilen aus dem 16. Jahrhundert. Damals noch eine trockene, das heißt nicht von Wasser, sondern von Tieren betriebene Mühle, wurde aufgrund der zahlreichen Quellen unter dem Grundstück schließlich die Brauerei errichtet. Ende des 19. Jahrhumderts wurde die Brauerei grundlegend umgebaut. Im Zuge der Industrialisierung wurde eine Dampfmaschine eingebaut und zur Kühlung des nun modernen Lagerbiers wurde ein Kühlhaus errichtet. Einige Jahrzehnte wurde die Brauerei weiter betrieben, bis die Gebäude nach dem zweiten Weltkrieg als von einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft als Maschinenhallen genutzt wurden. Mit dem Zerfall der LPG begann auch der Verfall der Gebäude. In einem bereits desolaten Zustand wurden sie schließlich Mitte der 2010er Jahre vom Architektenehepaar Jana Prouzova und Pavel Prouza gekauft und umgebaut. Dabei wurden über den Gewölben im Haupttrakt und Kühlhaus Apartments eingebaut und im ehemaligen Brauraum eine Küche und eine Bar. In einem Nebengebäude bauten die neuen Besitzer eine neue, kleine Brauerei ein, in der heute wieder Bier gebraut wird. Äußerlich entspricht das heutige Erscheinungsbild weitestgehend dem Bild um die Jahrhundertwende.
Kühlhaus
Im letzten Absatz wurde bereits kurz das Kühlhaus der Brauerei erwähnt, welches Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Diesen Teil des Gebäudekomplexes habe ich während der Semester-Exkursion für meinen Eingriff ausgewählt. Daher folgte anschließend eine tiefere Recherche zu Aufbau und Funktion des Kühlhauses:
Um das Jahr 1900 wurde sogenanntes Lagerbier besonders populär. Dieses musste nach dem Brauprozess gekühlt gelagert werden, was das Kühlhaus erforderlich machte. Das Kühlhaus selbst besteht aus drei parallelen Tonnengewölben. Die beiden äußeren Gewölbe reichen etwas tiefer in das Erdreich als das mittlere, dessen Decke hingegen deutlich höher ist. Im mittleren Gewölbe wurde Eis gelagert. Durch Öffnungen in den Wänden konnte die kalte, schwerere Luft in die beiden tieferen, seitlichen Gewölbe hinabsinken. Hier wurde Bier gelagert. Erwärmte sich die Luft wieder und stieg auf, gelangte sie durch Öffnungen in den Gewölben wieder in das mittlere Gewölbe. Durch Fenster im obersten Viertel der Rückwand der Gewölbe konnte im Winter zusätzlich kalte Luft von außen in das Gewölbe gelangen, um zusätzlich zu kühlen und so das Abschmelzen des Eis zu verlangsamen. Außerdem konnte warme Luft aus den seitlichen Gewölben durch Fenster in den Vorraum und von dort aus durch eine Art Kamin aus dem Gebäude entweichen. Dieser Luftfluss war nötig, um beim Gärprozess anfallendes CO2 aus dem Gebäude zu befördern. Außerdem sollte durch den Luftfluss Schimmelbildung in den Kellerräumen vorgebeugt werden.
Idee
Die beiden grundlegenden Aspekte, welche zu der Idee der Klangkörper führten, sind der Luftfluss im Kühlhaus einerseits und die Funktion des Mundstückes andererseits. Die Klangkörper verstärken, eben wie das Mundstück, einen Ton und machen aus ihm einen Klang. Erzeugt wird dieser Ton durch einen Luftstrom, durch den Wind. Um den Wind einen Ton erzeugen zu lassen, wird eine Windharfe, auch Äolsharfe genannt, eingesetzt. Je nach Windstärke werden deren Saiten durch die sie umströmende Luft in eine Schwingung versetzt. Variiert die Windstärke, so variieren auch die entstehenden Töne. Diese, vom Wind „gespielten“ Melodien erzeugen eine meditative Atmosphäre in den entstehenden Räumen, welche durch die Lichtführung zusätzlich verstärkt wird.
Aus dieser Atmosphäre ergibt sich die geplante Nutzung als Meditationszentrum. Verschiedene Räume bieten die Möglichkeit, allein oder gemeinsam, umrahmt von den Klängen des Windes, zu meditieren, sich selbst zu reflektieren oder einfach nur zu entspannen. Der Titel des Projektes liegt aufgrund des Charakters der Räume nahe: Haus der Klänge.
Um die Idee umzusetzen, entwickelte ich Klangkörper. Diese sollten aus dickem Kupferblech getrieben werden. Im oberen, über das Dach ragenden Teil der Klangkörper sollte sich je eine Äolsharfe befinden. Durch Löcher im Kupferblech sollte der Wind um die Saiten der Äolsharfe ziehen können. Die Klangkörper bestehen aus einem bauchigen, kugelähnlichen Rumpf der nach oben ausbricht und in eine längliche, konische Form mündet, welche wiederum aus dem Dach des Kühlhauses in den Wind herausragt. Die obere Fläche wird mit einer Glasplatte gedeckt, sodass durch diese Öffnung Licht in den Klangkörper fällt. Durch die kleine Öffnung und die Höhe, in welcher sie sich befindet, gelangt jedoch nur wenig Licht in den Klangkörper, ähnlich dem Licht am Ende eines Tunnels.
Jeder Klangkörper besteht aus mehreren Kupferblech-Fertigteilen, welche vor Ort durch Nieten verbunden werden. So kann der große, bauchige Teil im Innern des Kühlhauses montiert und anschließend mit dem länglichen, schmalen Teil verbunden werden, welcher mithilfe eines Krans durch die nötige Öffnung im Dach in das Gebäude herabgelassen werden kann.
Erschließung
In den beiden kleineren, seitlichen Gewölbe werden je drei Ebenen gemauert, welche nach hinten in der Höhe um je 40cm ansteigen. So gelangt man zu der hinteren Öffnung und durch diese in das mittlere Gewölbe. In der etwa 1,2m starken Wand der Öffnung wer-den 3 Stufen herausgemauert, um den Höhenunterschied zwischen der obersten Ebene und dem Boden des mittleren Gewölbes zu überwinden. Man betritt das mittlere Ge-wölbe durch das rechte und verlässt es durch das linke Ge-wölbe wieder. Dabei steigt man im linken Gewölbe zunächst Ebene für Ebene auf. Zusätzlich werden die Quellen, welche sich unter dem Grundstück befinden und zur Gründung der Brauerei geführt haben, aufgegriffen. Ein Becken auf dem Boden des Gewölbes lädt zum Waschen der Füße ein, ein säulenförmig aus der zweiten Ebene hervorragendes Becken zum Waschen der Hände und ein ebensolches auf der dritten Ebene zum Waschen des Gesichts. So hat der Besucher, sich spirituell zu waschen vor der Meditation, wie es in auch in einigen Religionen vor dem Gebet getan wird. Im linken Ge-wölbe steigt der Besucher wieder Ebene für Ebene hinab auf das Eingangslevel. Dabei laden die Ebenen ein, sich nochmals zu setzen, zu verweilen. In beiden Gewölben sind die Ebenen je durch eine Stufe verbunden, um nicht 40cm Höhenunter-schied in einem Schritt überwinden zu müssen. Die bewusste Anordnung der Stufen gibt dem Besucher einen Weg vor, damit dieser den Meditationsraum nicht über den schnellsten Weg betreten und verlassen kann, sondern bewusst den Stufen folgt.
Atmosphäre
Durch die Installation der Klangkörper im mittleren der bestehenden Gewölbe entstehen verschiedene Räume:
Das Innere der Klangkörper bietet einen privaten, blickgeschützten Raum. Licht gelangt nur durch die kleine, runde Öffnung, welche das Dach durchbricht und sich nach oben weitet. Ganz oben in jedem Klangkörper sitzt eine Wind-harfe. Der Wind strömt durchströmt die Klangkörper durch verschieden große Löcher. Die Klangkörper dienen als Resonanzkörper und verstärken die Klänge der Harfen, indem sie in ihrer Eigenfrequenz mitschwingen. Aufgrund der Variation in Form und Größe der Klangkörper variieren auch deren Eigenfrequenzen. Dadurch und in Abhängigkeit von der Windstärke entstehen unterschiedliche, meditative Klänge. Das mittlere Gewölbe bietet den Luftraum, in dem die Klang-körper schwingen können. Durch die Schwingung der Luft fungiert auch dieser Raum als Resonanzraum und verstärkt die Klänge der Windharfen, beziehungsweise der Klangkör-per. Entgegen letzterer dient das mittlere Gewölbe jedoch nicht dem Aufenthalt, sondern lediglich der Erschließung der Klangkörper, der Verstärkung derer Klänge, sowie der räumlichen und auch akustischen Verbindung in die angrenzenden Gewölbe.
Die Klänge der Harfen sind daher auch in den beiden seitlichen Gewölben hörbar. Durch die gemauerten Pfade, über welche man in die Klangkörper gelangt, bekommen die bei-den kleineren Gewölbe eine neue Struktur. Es entstehen private, durch die Pfade gefasste Räume, welche jedoch entgegen der Klangkörper nicht komplett getrennt oder gar blickgeschützt sind.
Ein ausführliches Portfolio zum Semesterprojekt „Haus der Klänge“ kann auf Anfrage gern zugesandt werden.
projektdaten
name | Haus der Klänge |
ort | lobec, tschechien |
jahr | 2023 |
projektrahmen | entwurfsstudio upcycling, universität liechtenstein (3. semester) |
sonstiges | betreuung durch cornelia faisst und urs hüssy |